Emotionale Entwicklung durch Bindung und Bindungstheorien nach Bowlby

Bonding, Attachment und qualitative Bindungstypen nach Mary Ainsworth

Vorreiter in der Bindungsforschung ist der britische Kinderpsychiater John Bowlby (1907 – 1990), der den Fokus auf Familienbeziehungen und kindliche Entwicklungen legte. Aus dem Verhältnis zwischen Säugling und Bindungsperson entsteht im optimalen Fall eine sichere Bindung, die ein Kind für seine altersgerechte Entwicklung braucht.

Die These des Bindungsforschers John Bowlby stellte fest, dass das Bedürfnis des Kindes nach Liebe und Gegenwart genauso groß ist wie sein Hunger nach Nahrung. Die Abwesenheit der Mutter in Form von Liebe kann beim Kind ein starkes Angstgefühl hervorrufen.

Die sichere Bindung an die Eltern wird als Attachment bezeichnet, die sichere Bindung der Eltern an ihr Kind als Bonding. Die Bindung zur Mutter ist die erste elementare Bindung des Kindes, die in seinem Leben alle weiteren prägt.

Die kanadische Psychologin Mary Ainsworth (1913 – 1999) belegte, dass es qualitativ unterschiedliche Bindungstypen gibt.

Zusammen mit John Bowlby entwickelte Mary Ainsworth die Bindungstheorie, wonach sie das angeborene Bedürfnis des Menschen beschreibt eine enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehung zu seinen Mitmenschen aufzubauen. In diversen Experimenten stellten sie fest, dass das Bedürfnis des Menschen nach Bindung genauso bedeutsam für sein Überleben ist wie sein Bedürfnis nach Nahrung.

Neben seinem leiblichen Wohl, gehört zur gesunden Entwicklung eines Babys sehr viel Nähe. Es muss sich umsorgt, geliebt und in seinen Bedürfnissen verstanden fühlen.

Insbesondere das erste Lebensjahr ist entscheidend dafür für das Entstehen seiner grundlegenden Bindungen zu anderen Bezugspersonen. Das Baby entwickelt Vertrauen, ein Gefühl von Sicherheit und entwickelt eine Beziehung zu seinen Bezugspersonen je nach Qualität des Umgangs mit ihm.

In zahlreichen Testsituationen, in der das Kleinkind in einer fremden Umgebung von der Mutter für eine kurze Zeit zurückgelassen wurde, wurde das Verhalten des ca. 12 bis 18 Monate alten Kindes während der Abwesenheit der Mutter analysiert. Entscheidend war jedoch das Verhalten des Kindes bei Wiederkunft der Mutter. Verschiedene Verhaltensweisen des Kindes bei der Wiederkehr der Mutter wurden beobachtet, die auf die jeweilige Art der Bindungsart zurück zu führen sind.

Zum einen wurde beobachtet, dass das Kind das Fortgehen der Mutter nicht störte, so dass es nicht weinte und bei der Wiederkehr der Mutter nicht von ihr getröstet werden musste.

Andere Kinder fingen sofort an zu weinen, wenn die Mutter den Raum verließ. Ist die Mutter zurückgekehrt und kümmerte sich um ihr Kind, fiel auf, dass es sich dennoch schwer beruhigte und es ihm schwer fiel sich wieder in sein Spiel zu vertiefen.

Andere Kinder weinten ebenfalls bei der Trennung, ließen sich jedoch von ihrer Mutter wieder schnell beruhigen und fingen wieder an sich mit den Spielsachen in der neuen Umgebung zu beschäftigen.

Je nachdem wie sich das Kind in dieser Trennungssituation verhält, ist sein Verhalten in eine der vier Bindungsarten einzuordnen.

Die vier Bindungstypen nach Bowlby – An welchen Merkmalen sicher und unsicher gebundene Kinder erkannt werden

Die Art der Bindung, die ein Kind im ersten Lebensjahr zu seinen Bezugspersonen aufbaut, ist entscheidend für sein weiteres Leben.

Mary Ainsworth konnte in ihrer Versuchsreihe mit Kindern im Alter zwischen 12 und 18 Monaten und ihren Müttern vier Bindungstypen feststellen.

Zum Verlauf des Experiments: Mutter und Kind betraten einen Raum, in der das Kind sich mit dem dort befindenden Spielzeug beschäftigen konnte, während die Mutter anwesend war. Nach kurzer Zeit betrat eine fremde Person den Raum, die Kontakt mit dem Kind aufnahm. Kurz darauf verließ die Mutter den Raum und das Kind war mit der fremden Person allein. Nach einem kurzen Augenblick kehrte die Mutter zurück und im zweiten Teil des Experiments verließ die Mutter gemeinsam mit der fremden Person den Raum, so dass das Kind drei Minuten allein im Raum war.

In dieser Zeitspanne wurde das Kind in seinen Stresssituationen gefilmt. Gegenstand der Beobachtung war sein Verhalten in Bezug auf die erste Trennung mit der Mutter, ob sich das Kind von der fremden Person trösten lässt und wie das Kind auf das Aufeinandertreffen mit der Mutter zum Schluss reagiert.

Die Filmanalyse ergab die folgenden vier Arten von Bindungstypen:

  1. Bindungstyp: Die unsicher-vermeidende Bindung

Kinder dieser Bindungsart zeigen Interesse ihre Umgebung zu erkunden, auch, wenn die Mutter den Raum verlässt. Es scheint, als ob sie gar nicht bemerken, dass die Mutter den Raum verlässt. Das Kind scheint keinen Stress zu haben, äußert keine Trennungsängste wie Weinen und signalisiert kein Unbehagen allein gelassen zu werden. Was nach einem hohen Selbstbewusstsein und einer stabilen Persönlichkeit des Kindes aussieht, ist trügerisch. Im Gegenteil ist dieses Verhalten negativ zu bewerten, da das Kind seine Bedürfnisse nicht zeigt.

Bei der Rückkehr der Mutter zeigen diese Kinder wenig Emotionen, suchen keinen Kontakt zur Mutter oder drehen sich sogar weg. Durch ihre Erfahrungen im täglichen Umgang mit ihrer Mutter haben sie gelernt ihre Gefühle nicht zu zeigen. Sie sind anscheinend weiter in ihrem Spiel vertieft.

Während seines ersten Lebensjahres hat das Baby vermutlich durch seine Bezugsperson keine verlässlichen und feinfühligen Erfahrungen gemacht. Hat das Kind seine unterschiedlichen Bedürfnisse geäußert, wurde nicht prompt und feinfühlig darauf reagiert.

  1. Bindungstyp: Die unsicher-ambivalente Bindung

In den Versuchssituationen zeigten diese Kinder wenig Freude die Umgebung und das Spielzeug zu erkunden, auch, wenn die Mutter im Raum anwesend war. Im Gegenteil wirkten sie unsicher und ängstlich, klammerten sich an die Bezugsperson und ließen sich nicht ablenken.

Wenn die Mutter den Raum verlässt, reagieren diese Kinder über und zeigen ihre Angst in dramatisierter Form. Sie weinen, schreien und klammern sich an ihre Mutter fest.

Kehrt die Mutter zurück, lassen sie sich nur schwer beruhigen. Zudem zeigen sie gegenüber der Mutter ärgerliches und aggressives Verhalten. Die Trennungssituation hat in ihnen einen Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und Aggression ausgelöst.

Kinder, die ein unsicher-ambivalentes Bindungsverhalten aufzeigen, haben widersprüchliche Erfahrungen auf ihre Bedürfnisse gemacht. Wahrscheinlich wurde mal prompt und feinfühlig das Bedürfnis des Babys befriedigt, mal musste das Baby länger warten und länger weinen bis es getröstet wurde oder seinen Hunger stillen konnte.

Das Baby hat widersprüchliche bzw. zweideutige (ambivalente) Erfahrungen bei der Erfüllung seiner Bedürfnisse gemacht. Nun spiegelt das Kind anscheinend die Mutter und zeigt seiner Bezugsperson gegenüber zweideutige Verhaltensweisen.

  1. Bindungstyp: Die unsicher-desorganisierte Bindung

Kinder dieser Bindungsart reagieren auf Trennungen der Mutter widersprüchlich und zeigen einen eigenen eigenartigen Willen und auffällige Verhaltensweisen. Bei der Rückkehr ihrer Mutter erstarren sie in ihrem Erkundungsverhalten oder zeigen stereotypische motorische Bewegungen.

Auf der einen Seite werden sie gegenüber der Mutter aggressiv, auf der anderen Seite verkrampfen sie. Zum einen laufen sie auf die Mutter freudig zu, bleiben jedoch auf halbem Wege stehen, werfen sich auf den Boden und toben.

Dieses kindliche Verhalten weist auf eine ernsthafte Bindungsstörung hin, welches vielleicht durch ein Trauma des Kindes oder Missbrauchserfahrungen ausgelöst wurde. Oft waren die Mütter wenig feinfühlig.

  1. Bindungstyp: Die sichere Bindung

Verlässt die Mutter das Kind, reagieren sicher-gebundene Kinder sofort mit Protest und zeigen mit Weinen und Schreien, dass sie nicht von ihrer Mutter verlassen werden möchten. Ein Verlassen werden von der Bezugsperson bedeutet für sie Angst. Da sie nicht wissen können, ob und wann ihre Mutter zurückkommt, fühlen sich sicher gebundene Kinder allein und bekommen noch mehr Angst. Sie suchen ihre Mutter, folgen ihr beim Hinausgehen und suchen die Nähe zu ihr. Ihr Bedürfnis nach Bindung in Angstsituationen können sie sehr deutlich zeigen.

Die fremde Person im Raum schafft es nicht das Kind zu beruhigen oder mit Spielzeug abzulenken. Während der Trennungssituation ist das Kind nicht in der Lage sich seiner Erkundungsfreude hinzugeben. Sicher gebundene Kinder haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Mutter sie trösten wird und vertrauen darauf.

Kehrt die Mutter zurück, signalisieren sie, dass sie sich von ihrer Mutter trösten lassen wollen. Sie finden schnell zur Ruhe und widmen sich wieder ihrem Spielzeug. Die Mutter stellt für sicher gebundene Kinder den “sicheren Hafen” dar, den sie aufsuchen, wenn sie Angst haben.

Die Bindung nimmt an Tiefe und Intensität zu – Die 6 Stufen der Bindung je nach Alter des Kindes

Durch Bindung sind Eltern und Kind durch ein Band der Liebe miteinander verbunden. Gleichzeitig sorgt Bindung dafür, dass Kinder ihre Persönlichkeit entfalten können und sich zu eigenständigen erwachsenen Menschen entwickeln können. Es lassen sich sechs verschiedene Bindungsphasen unterscheiden, die aufeinander aufbauen und von Bindungsphase zu Bindungsphase tiefer gehen.

  1. Bindungsphase: Sinneswahrnehmungen

Über die Sinne lernt ein Baby seine Bezugspersonen und später seine Umgebung kennen. Berührungen über die Haut, Sehen, Schmecken, Körpernähe, Hören und Riechen verleihen dem Kind ein Bild über seine Mutter. Das Kind weiß nicht, dass es sicher ist, auch, wenn die Mutter im Zimmer nebenan ist. In der ersten Bindungsphase muss das Baby die Mutter körperlich wahrnehmen.

Beständiger Körperkontakt und das richtige Interpretieren der Bedürfnisse des Babys während dieser Phase sind Grundvoraussetzung für den Aufbau der sicheren Bindung.

  1. Bindungsphase: Gleichheit

Die physische Nähe des Kindes zu seiner Mutter reicht dem größeren Baby nicht mehr aus. In der zweiten Bindungsphase, in der das Kind sich durch Krabbeln von seiner Bezugsperson auch entfernen kann, ist das Bedürfnis des Kindes mit seiner Bezugsperson gleich sein zu wollen.

Das Kind macht ab dem 2. Lebensjahr alles seiner Mutter und den Erwachsenen aus seiner Umgebung nach. Dem Menschen, dem das Kind am meisten vertraut, möchte es seine Eigenheiten und Vorlieben imitieren und am meisten ähneln. Weil das Kind auch anfängt die Wörter zu wiederholen, die es hört, lernt es auch auf diese Weise zu sprechen.

In dieser Phase kann die Mutter die Bindung zu ihrem Kind stärken, in dem sie ihr Kind an ihren alltäglichen Aufgaben wie Spülmaschine ausräumen, Wäsche aufhängen, Staub wischen etc. mit einbezieht. Auch die gemeinsame qualitative Zeit im Spiel fördert ein Gefühl der Gleichheit bei Mutter und Kind.

  1. Bindungsphase: Besitzanspruch

Ab dem 3. Lebensjahr erhebt das Kind Besitzanspruch an seine Mama. Nun heißt es: “MEINE Mama…” oder “meins”, wenn’s ums Kuscheltiere geht, die mit dem großen Bruder oder der großen Schwester geteilt werden sollen. Das Gefühl besitzen zu wollen und die Eifersucht daraus, wenn es ums Teilen geht, sind auf dieser Entwicklungsstufe völlig normal. 

Die Bindung kann die Mutter stärken, in dem sie den Besitzanspruch spiegelt und ihrem Kind gegenüber sagt “Du bist mein” oder “wir gehören zusammen”. Außerdem sollte die Mutter hinter ihrem Kind stehen, es nicht vor anderen bloßstellen oder es mit anderen älteren Kindern vergleichen, die von ihrer Entwicklung her weiter sind als ihr Kind.

  1. Bindungsphase: Loyalität

Das Kind steht auf unserer Seite, teilt unsere Werte und würde am liebsten für uns kämpfen. Das Kind fühlt sich zu seinen Eltern zugehörig, zeigt Loyalität und befolgt ihre Regeln, weil es zur Familie dazu gehören möchte.

Während dieser Phase bemüht sich das Kind – so wie es mit seinen Charakterzügen ist – stetig seinen Eltern zu gefallen und buhlt um Wertschätzung bei seinen Bezugspersonen. Da es für seine Eltern etwas ganz Besonderes sein möchte, ist es sehr sensibel bezüglich negativen Äußerungen. In dieser Phase reagiert es sehr verletzlich auf Zurückweisung.

In dieser Phase kann die Mutter ihre Bindung stärken, in dem sie ihre Wertschätzung nicht an die Leistung ihres Kindes koppelt. Das Kind als Person zu wertschätzen, dem Kind zu zeigen, dass die Mutter die gemeinsame Zeit beim Spielen drinnen und draußen mit ihm genießt und für das Kind das Lieblingsessen gerne kocht. Für die kindliche Seele ist es Balsam, wenn sie ganz oft hören wie sehr Mama und Papa es lieb haben und was sie an ihrem Kind alles toll finden.

  1. Bindungsphase: Emotionale Herzensliebe

Ab dem 5. Lebensjahr zeigt das Kind seine Liebe zu seinen Eltern und verschenkt im wahrsten Sinne des Wortes sein Herz. Es malt Bilder mit Herzchen, möchte mit Mama ohne Ende kuscheln und sagt ganz oft, wie sehr es Mama und Papa lieb hat. Söhne machen ihren Mamas Heiratsanträge und Töchter möchten am liebsten ihren Papa heiraten. Die Kinder haben den Wunsch mit uns für immer zusammen bleiben zu dürfen und mit uns verbunden sein zu wollen. Das Kind hat Gefühle von Zuneigung, Liebe und Fürsorge angenommen. In dieser Phase ist das Kind schnell verletzbar, wenn es glaubt nicht mehr gewertschätzt oder weniger geliebt zu werden.

Ist diese Stufe der Bindung erreicht und emotional verwurzelt, fällt es dem Kind leichter Trennungen von seinen Bezugspersonen zu verkraften ohne psychisch darunter zu leiden. Auch für längere Zeit ist sich das Kind der Liebe seiner Eltern sicher, auch wenn es von ihnen getrennt ist.

Um die Bindung in dieser Phase zu stärken, kann man sich mit dem Kind seine Babyfotos anschauen, ihm erzählen wie sehr man sich ihn gewünscht hat und sich an gemeinsame Erlebnisse und Urlaube erinnern.

  1. Emotionale-psychologische Nähe

Mit 5 bis 6 Jahren erreicht das Kind die tiefste Stufe der Bindung der emotionalen-psychologischen Nähe bzw. der Vertrautheit. In diesem Alter kann das Kind bewusst entscheiden, was es seinen Eltern erzählen möchte und, ob es seine Gefühle, Gedanken und Geheimnisse mit ihnen teilt. Das Kind merkt, dass Geheimnisse halten es von seinen Bezugspersonen trennt. Daher möchte es am liebsten seinen Eltern alles sagen, hat keine Geheimnisse vor den Eltern und offenbart seine Gedanken und Gefühle vollkommen.

In dieser Bindungsphase hat das Kind die Reife erreicht die Gefühle seiner Bindungsperson zu verstehen. Emotionen wie Freude, Traurigkeit und Wut kann das Kind bei anderen nachvollziehen.

In dieser Phase kann die Bindung vertieft werden, in dem die Bezugsperson auf die Stimmungen des Kindes eingeht und für seine Emotionen Verständnis und Mitgefühl zeigt. Das Kind kann auch darin ermuntert werden über seine Gefühle zu reden, indem man Fragen dieser Art stellt: “Du wirkst traurig. Magst Du mir erzählen, was Dir auf dem Herzen liegt?”.

Heutzutage erreichen Kinder gar nicht mehr die tiefste Bindungsstufe. Je tiefer ein Kind eine Bindung eingeht, desto verletzlicher ist es auch. Erfährt es Enttäuschungen, verbale oder körperliche Verletzungen durch seine Bezugsperson, verschließt sich das Kind.

Die negativen Folgen einer unsicheren Bindung

Schon Sigmund Freud entdeckte, dass Störungen im Erwachsenenalter auf Störungen im Kindesalter zurückzuführen sind. Im letzten Jahrhundert zeigten Versuchsreihen der Bindungsforschung auf wie elementar die Erfahrungen des Babys im ersten Lebensjahr für seine weitere Entwicklung sind.

Dabei hat insbesondere das elterliche Einfühlungsvermögen in das Baby einen zentralen Einfluss darauf, in welche Richtung die Beziehung zueinander verlaufen wird. Positive Gefühle der Eltern dem Baby gegenüber tragen wesentlich dazu bei, dass ihr Kind an sie sicher gebunden aufwächst.

Im ersten Lebensjahr festigt sich die Bindung zwischen Eltern und Kind. Babys ab dem 3. Monat sind auf ihre Bezugsperson fixiert und zeigen starkes Bindungsbedürfnis. Ab dem 8. Monat beginnen sie zu fremdeln. Kinder unter 3 Jahren reagieren in der Regel noch sehr empfindlich auf Trennungen von ihrer Bezugsperson.

Welche Erfahrungen ein Baby im Umgang mit seinen Bezugspersonen insbesondere im ersten Lebensjahr sammeln durfte, hat Einfluss auf die Entwicklung seiner Persönlichkeit und darauf, in welcher Weise das Kind später soziale Kontakte knüpft und im Erwachsenenalter Beziehungen eingeht. Die Qualität frühkindlicher Bindungsprozesse kann Auswirkungen auf das gesamte Leben haben.

Kleinkinder, die von ihrer Mutter in einer fremden Umgebung für eine gewisse Zeit zurück gelassen werden und dabei nicht weinen oder protestieren, äußern unzureichend ihre Bedürfnisse. Da das Kind die Erfahrung gemacht hat, dass auf seine Bedürfnisäußerungen zu wenig eingegangen wurde, zeigt es auch seine Bedürfnisse nicht mehr.

Eine groß durchgeführte Studie, die Wiener Krippenstudie aus den Jahren 2007 bis 2012 untersuchte Kleinkinder im Kindergarten auf ihren Stresspegel. Es wurden Speichelproben der Kinder entnommen und auf den Cortisol-Wert hin überprüft. Es zeigte sich jedoch, dass diese Kinder hohe Cortisol-Werte aufwiesen, was darauf hindeutet, dass sie innerlich großem Stress ausgesetzt waren.

Diese Kinder fühlen sich ohne ihre Mutter nicht wohl, denn sie sind auf sich allein gestellt und müssen sich ggfs. in alltäglichen Situationen mit anderen Kindern selbst durchschlagen. Sie haben keine sichere Basis, zu der sie sich zurückziehen können, von ihrer Mutter getröstet werden könnten und können nicht ausgelassen ihre Umgebung erkunden, da sie sich innerlich in einem Stress- und Angstmodus befinden.

Die Wiener Krippenstudie zeigte außerdem, dass Kinder mit erhöhten Cortisol-Werten häufiger kränkelten und häufiger Infekte bekamen.

Wenn Kinder unsicher gebunden sind, zeigen sie der Erzieherin ihre Stimmungslage nicht. Diese Kinder scheinen auf den ersten Blick pflegeleichte Kinder zu sein, da sie wenig weinen und kein Unbehagen signalisieren. Es scheint, als ob sie sich an eine neue Umgebung schnell anpassen könnten und sich ggfs. von einer fremden Person ablenken bzw. betreuen lassen würden.

Kinder, die ein unsicher-vermeidendes Bindungsverhalten aufweisen, können in ihrer weiteren Entwicklung schlecht mit Frust und negativen Gefühlen umgehen. Sie entwickeln oftmals kein positives Selbstbild.

Unsicher gebundene Kinder entwickeln eine negative innere Vorstellung von sich selbst und erachten sich mit der Zeit als wenig liebenswert. Sie fühlen sich wenig akzeptiert und lassen sich schlechter auf Beziehungen ein.

Es besteht schon seit Langem ein belegbarer Zusammenhang, dass Jugendliche eher straffällig werden, wenn sie als Baby keine sichere Bindung zu ihren Eltern aufgebaut haben. Auch ist das Risiko erhöht, dass sie häufiger unter Depressionen und psychischen Problemen leiden und später selbst Schwierigkeiten haben liebevolle und funktionierende Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen und aufrecht zu erhalten.

Die positiven Auswirkungen einer sicheren Bindung

Sicher gebundene Kinder dagegen haben erfahren, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen wurden. Ein Baby, das seine Mutter als feinfühlig erfährt, entwickelt von sich selbst das Selbstbild liebenswert und kompetent zu sein. Auf ihre Bedürfnisse hat die Bezugsperson richtig reagiert und diese Babys mussten weniger weinen, um ihre Bedürfnisse zu zeigen. Sicher-gebundene Babys sind ruhiger, ausgeglichener und zufriedener.

Ihre Bezugspersonen werden die Erfahrung machen, dass ihre Kinder pflegeleicht sind, während entferntere Bezugspersonen wie die Großeltern es vielleicht nicht “normal” ansehen, dass sich das Kind primär nur von der Mutter trösten lässt und nicht von ihnen.

Sicher gebundene Kinder können besser mit Stress umgehen, sind eher in der Lage Probleme lösen zu können und können leichter soziale Kontakte knüpfen. Sie erforschen ihre Umgebung mit mehr Neugier und Begeisterung, da sie jederzeit bei Angstgefühlen zu ihrer Mutter, die sie als sichere Basis empfinden, zurückkehren können.

Die Begeisterung seine Umgebung neugierig zu erkunden, setzt voraus, dass das Kind sich auch sicher fühlt.

Sicher gebundene Kinder erkunden mit Freude ihre Umgebung, verfügen über eine hohe emotionale und soziale Kompetenz. Im Zusammenspiel mit anderen Kinder fallen sicher gebundene Kinder NICHT darin auf, dass sie andere Kinder ärgern, provozieren und ihnen die Spielsachen wegnehmen.

Sicher gebundene Kinder sind selbstbewusster, kompromissbereit, gesundheitlich stabiler und wirken im Vorschulalter reifer und vernünftiger. Sie können mit Problemen besser umgehen und sind geduldiger, da sie die Erfahrung gemacht haben sich stets auf ihre Bezugsperson verlassen zu können.

Die positiven Auswirkungen einer sicheren Bindung zeigen sich bereits im Kindergarten und später in der Schule. Sie fallen durch ihr entsprechendes Sozialverhalten zu Mitschülern positiv auf, sind offener und aufgeschlossener für neue Sozialkontakte, haben mehr Fantasie im freien Spiel, können sich länger und besser konzentrieren. Sie haben ein höheres Selbstwertgefühl und sind emotional ausgeglichener.

Im Jugendalter können sicher gebundene Kinder leichter ihre aggressiven Impulse kontrollieren, sind kooperativer, haben ein hohes Selbstwertgefühl und großes Selbstvertrauen.

Quellen und Webseiten


https://www.sicherebindung.at

Video Mary Ainsworth Fremden-Situation “Sichere Bindung”:

Video Mary Ainsworth Fremden-Situation “Sichere Bindung”, “unsicher vermeidend” und “unsicher-desorganisiert”:

Christa Meves Video über Fremdbetreuung:

https://www.familienhandbuch.de/babys-kinder/entwicklung/saeugling/bindung/BindungimKindesalter.php

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